Antijagdtraining

Jagende Kurzhaarcollies????


Die “vielseitigen” Kurzhaarcollies ;-): Rica als Vorstehhund….

Immer noch kann man gelegentlich lesen, dass Kurzhaarcollies ja nur wenig bis gar keinen Jagdtrieb hätten. Ich kann nur davor warnen, zu sehr darauf zu vertrauen. Ob nun der Hütetrieb aus dem Jagdtrieb herausgezüchtet wurde oder nicht – es macht einfach unglaublich viel Spaß, hinter einer lebenden Beute herzuflitzen…. und Kurzhaarcollies rennen gerne und schnell. Aber leider hat kein Jäger Verständins, wenn man sich dann entschuldigt: „Der jagt gar nicht, der will die Rehe doch nur hüten!” 🙂
Was aber ganz sicher auch zutrifft: einen Kurzhaarcollie kann man im Normalfall so erziehen, dass auch Freilauf im Wald möglich ist.
Doch selbst wenn man alles „richtig” macht, bleibt man vor dummen Zufällen nicht verschont. Ich erinnere mich gut, wie unfair ich es von dem Hasen fand, der zwischen uns durchrannte, als ich mit der jungen Emily gerade eine Absitzübung machte. Und das dort, wo ich zuvor noch nie einen Hasen angetroffen hatte…..!!! Und auch die Rehe halten sich immer wieder erstaunlich wenig an die Zeiten und Orte, die ihnen zugestanden werden. Selbst wenn ich die Dämmerung im Wald vermeide, treffe ich sie immer wieder völlig unerwartet an.
Unsere Wälder hier sind sehr wildreich. Wenn ich wollte, könnte ich auf jedem Spaziergang Rehe sehen. Begegnungen bleiben also nicht aus und da ich freilaufende Hunde haben will, war es mir nach meinen Erfahrungen mit Emily äußerst wichtig, mit Maja präventiv zu arbeiten. Darum möchte ich hier ein paar Punkte auflisten, die einem das Leben leichter machen, wenn der Hund seine ersten Wildbegegnungen haben wird:

Zuerst einmal sollte man sich nie in der Sicherheit wiegen, dass der Junghund ja so brav ist: “Der hat doch gar kein Interesse an Wild!” Auch ich wusste früher nicht, dass das Interesse erst mit der Pubertät beginnt! Also heißt es zuvor den natürlichen Folgetrieb so gut es geht auszunützen…. In dieser Zeit soll der Hund lernen, auf uns zu achten – nicht wir ständig auf ihn! Wie schön, wenn das dann schon von Welpenbeinchen an eingeübt wurde :-):

Kurzhaarcollie Kurzhaarcollie

Fängt dann die Zeit größerer Selbstständigkeit an, ist die Schleppleine (am Geschirr befestigt!) gefragt!! Lieber einmal zuviel Vorsicht als die buchstäbliche Nachsicht, wenn man nämlich auf einmal hilflos hinter Hase und Hund herschaut.
Nach Manfred Spitzer hinterlässt Lernen jeglicher Art Spuren im Gehirn, sozusagen Pfade, die immer wieder benutzt werden. Das hat natürlich zur Folge, dass falsche Spuren nur schwer wieder entfernt werden könnten.
Ich stelle mir das so vor, dass eine lustvolle Jagderfahrung eine Spur wie mit einem dicken Edding geschrieben hinterlässt. Wir stehen dann hinterher mit einem Bleistift in der Hand da und versuchen, die wieder zu übermalen! Das daaaaaauert! Und deswegen sollten Edding-Spuren möglichst vermieden werden.
Schön ist es natürlich, wenn es die Möglichkeit gibt, den Hund frühzeitig mit Wildgerüchen bekannt zu machen. Es gibt Wildparks, in die man den angeleinten Hund mitnehmen kann. Glück hat natürlich auch der, der selber Hasen, Meerschweinchen oder Katzen hält. Hier kann man dem Hund klarmachen, dass jegliches „Spiel” mit den Tieren unerwünscht ist. Auch in der freien Natur sollte man keinerlei Jagdtendenzen tolerieren: auch Vögel (Möwen am Strand!!) und Mäuse sind vor allem für Junghunde absolut tabu!
Im Wald ist es meinen Hunden ausschließlich erlaubt, auf den Wegen zu laufen. Jegliches Stöbern im Unterholz ist somit ausgeschlossen. Ein Signal wie „raus da” lernt der Hund schnell.
Der Radius sollte von Anfang an klein gehalten werden. Für einen Welpen ist das ganz normal, ein Junghund fängt dann aber schon einmal an, einen größeren Umkreis für sich zu beanspruchen. Auch hier kann an ein Signal eingeführt werden, bei uns heißt das „zu weit”!
Nicht nur bei Wild-, sondern auch bei Hundebegegnungen ist es äußerst hilfreich, wenn der Hund von Anfang an auf ein Rückrufsignal geprägt wurde. Unsere Welpen werden schon mit der Pfeife zum Futter gerufen und dies behalte ich dann lange bei. Bis der Hund etwa 7 Monate alt ist, sollte der Rückruf rein positiv aufgebaut werden, ohne dass der Hund die Erfahrung machen kann, dass ein Befolgen optional ist….. Der Hund muss im Gegenteil 1000mal erfahren, dass er zur Pfeife und zum Frauchen kommen darf!
Eines unserer beliebten Spielchen ist es z.B., den Hund abzusetzen (anfangs mit einer Leine von der Freundin gesichert) und ich laufe um die Ecke oder hinter einen dicken Baum, warte kurz und pfeife dann. Der Hund macht nichts lieber, als hinter mir herzusausen und mich zu suchen. Auch später ist die Regel, den Pfiff 10x wieder „aufzuladen” für jeden Ernsteinsatz. Wenn man dies konsequent befolgt, hat man dann lebenslang ein „Zaubermittel”.

Da die Pfeife also während der ersten 6-7 Monate nicht im Ernsteinsatz verwendet werden darf, arbeite ich in dieser Zeit mit einer kleinen Blechdose, gefüllt mit Trockenkatzenfutter. Wenn man die schüttelt, klimpert es herrlich und das Hundchen lernt schnell, dass es da was Leckeres gibt. Mit diesem Rassellaut kann ich nun in allen möglichen und unmöglichen Situationen versuchen, den Hund zu mir zu locken, auch wenn er momentan nichts anderes im Köpfchen hat, als eine Spielrunde mit dem netten Hund da vorne. Wenn er hört und umdreht – SUPER! Wenn nicht, Pech gehabt, hinterher und abgeholt. Da ich nicht vorhabe, lebenslang mit einer Klapperdose durch den Wald zu laufen, schadet es nicht, wenn er nebenbei halt auch lernt “ich kann kommen, muss aber nicht”. Es ist ein Lockmittel, weiter nichts. Später wird die Dose ja dann durch die viel besser funktionierende Pfeife ersetzt. Und die muss mehr als ein “Vorschlag” bleiben!!
Das “hiiiiier” aus der Hundeschule ist für uns übrigens für das korrekte Vorsitzen reserviert. Das nützt uns also draußen unter starker Ablenkung nicht unbedingt etwas.
Ein wichtiger Tipp: die Pfeife sollte nur der “Haupterziehungsberechtigte” in die Hand bekommen. Die anderen, vor allem Kinder, können die Futterklimperdose benutzen…..
Es ist für die Hunde fast immer leichter, ein gut eingeübtes Sitzsignal zu befolgen, als sich umzudrehen und zurückzukommen. Wie vieles auf dieser Seite, gilt das auch für Hundebegegnungen. Diese geben mir auch Gelegenheiten, das täglich zu üben. Sehen wir einen freilaufenden (bekannten) Hund, müssen sich meine Hunde zuerst setzen, bevor das Auflösesignal “lauf” als Belohnung kommt. Wenn das in Fleisch und Blut übergegangen ist, kann es auch bei Wild helfen, vor allem, wenn das Wild steht und man es dann ruhig zusammen mit dem Hund beobachten kann. Diese Situationen liebe ich! Meine Emily ist dabei so zuverlässig, dass ich mich mit ihr auch leise anschleichen kann und ihr, nach dem Verschwinden des Wildes, das bekannte “lauf” geben kann – ihr persönlicher Jackpot! Es reicht, das zu flüstern – und sie rast los, um ihren Stress abzureagieren. Dabei befolgt sie aber sicher unsere Regeln: nicht in den Wald, zurück bei Rückruf. So dreht sie dann mit Höchstgeschwindigkeit eine Runde über die Wiese oder rast den Waldweg vor und wieder zurück. Einmal geschah es, dass sich dabei eine zweite Rehgruppe aus dem Wald löste und Emily mit ihnen zusammen zu rennen schien. Ich sah all meine Arbeit umsonst, doch sobald die Rehe im Wald verschwanden, drehte sie, wie gewohnt, ab und kam zurück, übers ganze Hundegesicht glücklich lachend! Seit Maja bei uns ist, konnte ich Emily diese Superbelohnung leider nicht mehr gönnen, dafür müsste ich alleine mit ihr unterwegs sein.
Möglich ist es aber, beide Hunde zu Hause mit einer kurzen Jagdfrequenz zu belohnen. Wir haben hier sehr viele Streunerkatzen, die immer noch nicht gelernt haben, um unseren Garten einen großen Bogen zu machen. Leider musste ich es aufgeben, die Hunde an die Katzen zu gewöhnen. Die Streuner stellen sich nicht, sondern fliehen sofort und das ist für die Hunde einfach unwiderstehlich. Draußen herrscht strengstes Katzenjageverbot (klappt bei Emily auch freilaufend, Maja ist im Ort immer angeleint). Im Garten allerdings kann ich es doch nicht verhindern, da ich nicht dauernd dabei bin. Also machte ich das beste draus: die Katzen wurden zum Übungsobjekt. Sehen die Hunde eine Katze durch die Terrassentür, geht das Geschrei los. Ich komme ruhig dazu und verlange, während ich die Türe laaaaangsam öffne, ein “Sitz” mit Blickkontakt. Für Emily kein Problem, Maja muss noch mit ihrer Aufregung kämpfen. Erst dann, wenn die Türe offen ist und die Hunde ruhig sitzen (und die Katze längst über alle Berge, sprich Zäune ist :-)), kommt das ersehnte “lauf”! Mit wildem Geheul stürzen sie dann beide raus…. Und nein, die Katzen waren noch nie wirklich in Gefahr! Aber gelernt haben sie auch nicht daraus, sie kommen immer wieder….

Impulskontrollspiele kann man von Anfang an einüben. Schon der Welpe kann lernen, das Spielzeug „aus” zu geben und erst auf ein Auflösesignal („zack!”) wieder aufzunehmen. Dann kann ein Sitz verlangt werden und der Hund muss zuschauen, wie die „Beute” vor seinen Füßen wild herumzappelt. Wieder darf er es auf „zack” nehmen und dann gibt’s ein wildes Zerrspiel als Belohnung. Jetzt kann das Spielzeug über seinen Kopf wegfliegen und er muss sitzen, bis er nach einem Blickkontakt freigegeben wird. Die letzte Stufe ist dann das Abpfeifen, wenn er hinter dem Spielzeug herrennt.

Kurzhaarcollie
Majas Bruder Magic (2,5 Jahre alt) und die Rehe….

Ein Hund der gerne spielt und gelernt hat, dass das mit Herrchen und Frauchen am allerbesten geht, macht es einem leichter. Ich habe von Anfang an mit Maja gespielt, wie man es bei Eckhart Lind sieht: das Spielzeug wurde in meiner Hand lebendig, flitzte um mich herum, machte verlockende Geräusche, Maja durfte es fangen und dann wurde wild gezogen. Dazwischen immer wieder mal ein “aus” – und weiter ging’s. Nur ab und zu flog es auch mal von mir weg, Maja rannte nach um es wieder herzubringen – denn mit mir zusammen machte das ja soooo viel Spaß! Auch unterwegs setze ich nun gern und oft das Spiel ein, als Belohnung zB, wenn es so herrlich nach Wild duftet und Hundi brav auf dem Weg bleibt! Manchmal sehe ich ja ein Eichhörnchen, eine Katze oder sogar ein Reh vor uns den Weg kreuzen und kann das dann ausnützen um gerade dort ein wildes Spiel mit meinem Hund zu machen. Der Hund lernt dabei, dass das Zusammensein mit mir eine wunderbare Sache ist, so dass diese hochinteressante Duftspur nur eine Nebenrolle spielt.
Meine Hunde haben außerdem gelernt, ein Signal (bei uns “huiiiii”) mit dem Spiel zu verbinden. Sehe ich nun das Reh vor dem Hund, kann ich ihn mit dem Spielruf zu mir holen und mit einem wilden Zerrspiel belohnen.
Und zu guter Letzt: Futter muss nicht zu Hause aus dem Napf serviert werden. Unterwegs kann man das normale Trockenfutter nehmen, um Blickkontakt und Aufmerksamkeit zu bestärken. Viele kleine Aufgaben (siehe Suchspiele und Waldmobility) können mit Futter belohnt werden. Eine Handvoll Futter kann ins Gras geworfen werden und darf gesucht werden – es gibt so viele Möglichkeiten für uns, für den Hund interessant zu sein, wir müssen sie nur nützen!!
Nachdem ich mit Emily im kritischen Pubertätsalter Fehler gemacht hatte, ging ich mit Maja strikt so vor wie oben geschildert. Im Zweifelsfall leinte ich lange Zeit lieber 10mal zuviel an als einmal zuwenig. Außerdem mied ich während dieser Zeit die gefährlichen Wildgebiete. Auch angeleint, bekommen Hunde schnell mit, was sich da alles Interessantes im Wald tummelt und lernen auch angeleint, nach Wild Ausschau zu halten. Ohne eine Chance, das vermeiden zu können, vermied ich solche Begegnungen eher.
Es hat sich gelohnt. Die jagdlich hochmotivierte Südhündin einer Freundin stöberte neulich im dichten Gebüsch ein ganzes Rehrudel auf und jagte es direkt vor meinen Hunden über den Weg. Während sie mit Hetzgekläff nachging, verließen meine beiden den Weg nicht. Sie waren zwar auch aufgeregt, aber das kann ich ihnen nicht verdenken! Als Stressabbau gab’s dann ein wildes Ballspiel mit mir. Maja war damals 2,5 Jahre alt und ich hatte intensiv mit ihr gearbeitet. Im Alter von einem Jahr wäre das ganz sicher noch anders abgelaufen…..

Kurzhaarcollie
Emily im Jagdmodus…..

Ich fasse also noch einmal zusammen:

– den Hund sichern!
– Wildgebiete während der Pubertät eher meiden
– den Hund auf den Wegen halten
– an einem kleinen Radius arbeiten
– interessante Beschäftigungsalternativen anbieten (zB Nasenaufgaben)
– an Impulskontrollspielen arbeiten
– sicheres Rückrufsignal einüben
– unterwegs aus der Hand füttern